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März 2024

Rosalie im Großformat

Regionales Fotoprojekt: Lebenshilfe gibt Menschen mit Down-Syndrom Gesicht und Stimme

Die siebenjährige Rosalie dreht schnell noch eine Runde auf ihrem Kinderrad. Sie ruft den Hund zurück, der schon wieder weglaufen will, lässt sich die Kamera erklären und darf selbst mal auf den Auslöser drücken. Dann kann es losgehen: Rosalie hat sich extra ein Kleid angezogen, die Mutter hat noch mal beim Naseputzen geholfen. Und so klettert Rosalie auf den Hocker, den Fotograf Mathias Mensch samt Leinwand und Blitz vor der Garage von Familie Loeppky in Rohstorf, einem Ortsteil von Vastorf, aufgebaut hat.

Das Fotoshooting ist der Auftakt für ein regionales Ausstellungs- und Buchprojekt. Es soll Menschen mit Down-Syndrom Gesicht und Stimme geben. Träger ist die Lebenshilfe Lüneburg-Harburg, gefördert wird das Vorhaben von der Aktion Mensch. Geplant sind rund 15 Porträts von Menschen allen Alters, mit leichten ebenso wie mit schweren Beeinträchtigungen. Sie werden auf großformatigen Fotos zu sehen sein, parallel entstehen Buch und Website.


Nahbarkeit schaffen, Akzeptanz fördern

Ziel ist, größere Akzeptanz für Menschen mit Down-Syndrom zu erreichen, die Inklusion voranzubringen und „Nahbarkeit“ zu schaffen, wie es im Konzept heißt. Und die Porträtierten können einen eigenen Beitrag leisten, etwa mit einem persönlichen Gegenstand oder einem eigenen Kunstwerk, die ebenfalls in die Ausstellung einfließen.

Tomek Ziolkowski, Leiter der Abteilung Projekte bei der Lebenshilfe, wird in Zukunft weitere Fördergelder beantragen, um Menschen mit Behinderungen in den Vordergrund zu holen. „Wir wollen Barrieren in den Köpfen abbauen und mit unseren Projekten begeistern. Wir möchten aber auch über kritische Themen sprechen“, unterstreicht er. „Rosalie ist ein schönes Beispiel, wie vielfältig Menschen und ihre Geschichten sind. Diese Vielfalt wollen wir in die Stadtgesellschaft transportieren.“

Rosalies Familie hat beim Fotoprojekt sofort zugesagt. „Menschen mit Down-Syndrom sollten stärker sichtbar sein“, sagt Rosalies Mutter Martina Loeppky (49), eine frühpensionierte Polizistin. „Das wollen wir unterstützen.“

Förderung beginnt früh

Als sie mit Rosalie, ihrem vierten Kind, schwanger war, hatte sie das Gefühl: „Etwas stimmt da nicht.“ Eine Ultraschall-Untersuchung ergab eine Auffälligkeit im Herzen. Ein anschließender Bluttest bei der Mutter wies auf Trisomie 21 beim Kind hin. Auf weitere Untersuchungen verzichtete Martina Loeppky. Für die damals 41-Jährige war ohnehin klar: Sie wird das Kind zur Welt bringen – auch wenn es geistig behindert sein sollte. „Aber mit dem Ergebnis des Bluttests konnte ich die älteren Geschwister vorbereiten, dass bei der Jüngsten vielleicht manches anders sein wird“, erzählt die Mutter.

Im Alter von drei Monaten begann für Rosalie die Frühförderung. Einmal pro Woche kam eine Mitarbeiterin der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg ins Haus, über sieben Jahre durchgängig dieselbe Person. Mit drei begann bekam Rosalie einen Platz im Waldorf-Kindergarten in Lüneburg. Und seit vergangenem Sommer besucht sie die Hofschule Wendisch Evern, den Förderschulzweig der Lüneburger Rudolf-Steiner-Schule.

„Verglichen mit Gleichaltrigen ist Rosalies Entwicklung verzögert“, sagt die Mutter. „Aber für ein Kind mit Down-Syndrom ist sie relativ fit.“ Eine selbstbewusste und unabhängige Person, die – wie jedes Kind – einen eigenen Kopf und ihre Vorlieben hat. Rosalie liebt Spaghetti-Pizza und schneidet derzeit besonders gern mit Scheren. Sogar den geliebten Pyjama, den sie von der Großmutter in Kanada bekommen hat, nahm sie sich vor, erzählt Martina Loeppky seufzend und lachend zugleich. „Den kann sie jetzt jedenfalls nicht mehr tragen.“

Fotograf arbeitet pro bono

Für die Porträtserie verzichtet Fotograf Mathias Mensch auf Honorar. Die Förderung von 10.000 Euro deckt allein die Sachkosten für Ausstellung, Buch und Website ab. „Es geht mir nicht um das eine schöne Foto“, sagt der 42-Jährige, der als Art Director in der Lüneburger Werbeagentur borowiakziehe arbeitet. „Ich möchte Menschen mit Down-Syndrom Aufmerksamkeit verschaffen und einen Einblick ermöglichen, der nachhaltig wirkt.“ Wie schon bei früheren Projekten: So porträtierte Mensch die Konventualinnen im Kloster Lüne. Und mit der Volkshochschule in Lüneburg entstand die Fotoserie „Alfabet“ über Menschen mit Lese- und Schreibschwäche.

Rosalie klettert unterdessen vom Hocker herunter. So viele Aufnahmen hat der Fotograf gemacht! Noch mal den Kopf drehen, noch mal anders hinsetzen, noch mal direkt in die Kamera schauen – da kann man schon ein bisschen müde werden. Aber die Siebenjährige ist auch mächtig stolz. Noch in diesem Jahr wird ihr großformatiges Schwarzweiß-Porträt in der Ausstellung in Lüneburg zu sehen sein.

Info: Down-Syndrom

Mehrere 10.000 Menschen in Deutschland leben mit dem Down-Syndrom, einer genetisch bedingten Entwicklungsstörung. Benannt ist sie nach dem britischen Arzt John Langdon Down, der das Phänomen vor mehr als 150 Jahren erstmals beschrieb.

Der Fachbegriff lautet Trisomie 21. Denn beim Down-Syndrom ist das Chromosom 21 im menschlichen Erbgut dreifach vorhanden, nicht zweifach wie sonst. Darauf nimmt das Datum des Welt-Down-Syndrom-Tags symbolisch Bezug: Er findet immer am 21.3. statt.

Menschen mit Down-Syndrom brauchen unterschiedlich viel Unterstützung. Manche kommen als Erwachsene weitgehend selbstständig zurecht, andere haben schwere Beeinträchtigungen. Die Lebenserwartung ist über die Jahrzehnte erheblich gestiegen. Menschen mit Down-Syndrom können durchaus 60 Jahre und älter werden.

Beratung und Unterstützung erhalten Eltern etwa bei der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg. Der Erstkontakt läuft in der Regel zu Hause über die Mobile Frühförderung. Sie unterstützt bei der Beantragung von Leistungen und weiterführenden Hilfen und vermittelt den Kontakt zu Eltern-Kind-Gruppen.

Außerdem gibt es die integrativen und heilpädagogischen Kitas der Lebenshilfe sowie die Mobilen Assistenzdienste, die Familien begleiten und zum Beispiel für Schulassistenz sorgen.
Mehr Infos: www.lhlh.org

Tomasz Ziolkowski
Leitung Projekte/ Quartiersmanager

Lebenshilfe Lüneburg-Harburg gemeinnützige GmbH
Lübecker Straße 46
21337 Lüneburg
Fon (04131) 7098930
Fax (04131) 7098931
Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Web www.lhlh.org

Lüneburg, den 12. März 2024

Lebenshilfe Lüneburg-Harburg gemeinnützige GmbH

Vrestorfer Weg 1 · 21339 Lüneburg
Fon (04131) 30180 · Fax (04131) 301882
 · www.lhlh.org
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